Die Problematik des EU-Mercosur-Abkommens

Seit rund 25 Jahren geistert das Thema eines EU-Mercosur-Abkommens bereits herum. Im Jahr 2020 stand es kurz vor einem Abschluss, wurde jedoch aufgrund der Kritik einiger Länder – darunter Frankreich und Österreich – vorallem aus Sorge vor billigen Agrarimporten, doch noch gekippt. Nun will der EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis dieses Abkommen in den nächsten Monaten über die Bühne bringen. Viele Umweltorganisationen sehen dies kritisch. So lehnen es GLOBAL 2000 und auch Greenpeace ab, da es ihrer Meinung nach massive negative Umweltauswirkungen mit sich bringen wird.

 

Mercosur ist der regionale Zusammenschluss der fünf südamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela. Die Abkürzung steht für „Mercado Común del Sur“ und bedeutet „Gemeinsamer Markt Südamerikas“. Bolivien, Chile, Ecuador, Guyana, Kolumbien, Peru und Suriname sind assoziierte Mitglieder, Bolivien befindet sich in Beitrittsverhandlungen (Stand: November 2020) und die Mitgliedschaft von Venezuela ist seit 2017 suspendiert, so das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit BMZ.

 

Die Handelsbeziehung in Zahlen

Hinweis: Die nachstehenden Zahlen beziehen sich auf den Handel der EU mit den vier Mercosur-Ländern. (Quelle: EU)

  • Die EU ist der wichtigste Handels- und Investitionspartner des Mercosur.
  • Die EU ist nach China der zweitwichtigste Partner des Mercosur im Warenverkehr (mit einem Anteil von 16,2 % am Gesamthandel des Mercosur im Jahr 2021).  Der Mercosur ist für die EU der Handelspartner Nr. 11.
  • Im Jahr 2021 beliefen sich die Ausfuhren der EU in die vier Mercosur-Länder auf insgesamt 45 Milliarden Euro, während die Ausfuhren des Mercosur in die EU 43 Milliarden Euro betrugen.
  • Die wichtigsten Ausfuhren des Mercosur in die EU im Jahr 2021 waren mineralische Erzeugnisse (22,3 % der Gesamtausfuhren), pflanzliche Erzeugnisse einschließlich Soja und Kaffee (20,7 %) sowie Nahrungsmittel, Getränke und Tabak (19,1 %)
  • Zu den Ausfuhren der EU in den Mercosur gehören Maschinen und Geräte (27,8 % der Gesamtausfuhren), chemische und pharmazeutische Erzeugnisse (26,3 %) sowie Verkehrsmittel (10,5 %).
  • Die EU exportierte Dienstleistungen im Wert von 17,2 Milliarden Euro in den Mercosur, während der Mercosur im Jahr 2020 Dienstleistungen im Wert von 7,7 Milliarden Euro in die EU exportierte.
  • Die EU ist der größte ausländische Investor in der Region, mit einem kumulierten Investitionsbestand, der von 130 Mrd. EUR im Jahr 2000 auf 330 Mrd. EUR im Jahr 2020 gestiegen ist.

 

Die Befürchtungen der NGOs

Der Einsatz von Wachstumshormonen und Pestiziden schädigt Menschen und Umwelt

Der Import billiger, nicht den EU-Standards entsprechender Agrarprodukte, wie genverändertes Soja, Rindfleisch aus ehemaligen Regenwaldgebieten, mit hier verbotenen Pestiziden behandeltes Obst und Gemüse, wird durch die Zollfreiheit (für Soja bereits seit den frühen 1960er Jahren) stark zunehmen. Die österreichische Arbeiterkammer befürchtet, „dass mit dem MERCOSUR-Abkommen auch wichtige Schutzstandards in der Land- und Lebensmittelwirtschaft unterlaufen werden“.

 

EU-Mercosur würde den Giftkreislauf zwischen der EU und Südamerika weiter beschleunigen, meint Greenpeace bei einer Protestaktion in Brüssel. Denn mit dem Abkommen sollen etwa die Zölle auf 90 Prozent der EU-Chemikalienexporte, darunter auch Pestizide, fallen. Der Pakt würde daher unweigerlich dazu führen, dass Ackergifte billiger zu kaufen sind und somit stärker eingesetzt werden, so Greenpeace weiter.

 

Laut GLOBAL 2000 ist die Fleischproduktion in Brasilien in den letzten Jahren um 700 Prozent gestiegen. „Für die Produktion werden weite Teile des verbliebenen Regenwaldes in Amazonien abgeholzt, sogenannte Feedlots (das sind reine Mastbetriebe für riesige Rinderherden) entstehen nicht nur in Brasilien, sondern auch in Argentinien rasant.

 

Durch das Handelsabkommen wäre das Vorsorgeprinzip der EU, nach dem bei Ungewissheit über die Sicherheit von Produkten diese nicht zugelassen werden dürfen, ebenfalls in Gefahr. Denn es könnte als „Handelshemmniss“ angesehen werden.“ schreibt GLOBAL 2000.

 

Verletzung der Menschenrechte

Dazu kritisiert Greenpeace, dass das Nachhaltigkeitskapitel des Abkommens bis dato keinen Abschnitt zu den Menschenrechten enthält und meint weiters: „Ohne verbindliche Verpflichtungen in den Bereichen Arbeit, Umwelt und Menschenrechte fehlt dem Handelsabkommen die Balance zwischen wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Zielen und Grundsätzen. In seiner jetzigen Form wird sich das Abkommen negativ auf die indigenen Gemeinschaften in den Mercosur-Ländern auswirken, zum Beispiel durch die Ausweitung des Zuckerrohranbaus für Bioethanol, unter dem die Indigenen Brasiliens bereits jetzt leiden. “

 

Die österreichische arbeiterkammer lehnt das Abkommen zum Teil deswegen ab, weil „es u.a. in der Land- und Lebensmittelwirtschaft, insbesondere im Fleischsektor, zu ausbeuterischen Arbeitsbedingungen kommt. Sklavenähnliche Beschäftigung auf den Zuckerrohr- und Sojaplantagen sowie Rinderfarmen sind keine Ausnahme.“ Desweiteren werde der Abreits- und Gesundheitsschutz zum Teil völlig ignoriert.

 

„Derart unverbindliche Worte können jedoch Lohn- und Sozialdumping und die Ausbeutung der Menschen nicht verhindern“, so ÖGB-Ökonomin Angela Pfister. „Damit bleibt der vorliegende Abkommenstext sogar hinter jenen Standards zurück, zu denen sich die EU mittlerweile selbst verpflichtet hat“, unterstreicht Valentin Wedl, Leiter der Abteilung für EU und Internationales der Arbeiterkammer (AK), die ablehnende Position der AK zum EU-Mercosur-Pakt.

 

 

Die Nachhaltgkeitsregelungen des Abkommens sind nicht verbindlich

„Nachhaltigkeit und die Vermeidung von Abholzung haben für die EU Priorität“, meint der EU-Handelskommissar dazu. Um diese Themenbereiche weiter voranzubringen, könne der Vertrag eine Plattform für Verhandlungen bieten. Beispielsweise habe sich die EU vor Kurzem auf eine Verordnung gegen Abholzung geeinigt, die verhindern soll, dass Produkte aus gerodeten Wäldern  in die EU exportiert werden. Daher wird momentan ein Vertragszusatz verhandelt, der allerdings von NGOs wie Greenpeace und Attac ebenfalls scharf kritisiert wird.

 

„Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten bringt keine Entwarnung für dieses zerstörerische Handelsabkommen. Denn ein Großteil jener Waren, die mit dem Abkommen vermehrt gehandelt werden würden – darunter Mais, Rohrzucker, Reis, Geflügel oder Bioethanol – wird durch diese Verordnung nicht abgedeckt. Da das Abkommen zudem keine sanktionierbaren Regeln gegen Entwaldung beinhaltet, würde es trotz Verordnung zu mehr Entwaldung führen und die Klimapolitik der EU konterkarieren“, kritisiert Attac Handelsexpertin Theresa Kofler.

 

https://news.pro.earth/2022/12/13/eu-importverbot-fuer-mehr-regenwaldschutz/

 

„Die Bestimmungen im Nachhaltigkeitskapitel unterliegen nicht dem Streitbeilegungsverfahren und können nicht sanktioniert und daher nicht durchgesetzt werden. Damit bleibt die Missachtung der wichtigen internationalen Arbeitsstandards der ILO und der internationalen Umweltkonventionen weitgehend ohne effektive Konsequenzen.“ schreibt die österreichische Arbeiterkammer dazu.

 

 

Das sogenannte „Splitting“ zur Umgehung der Einstimmigkeit

Die EU-Kommission plant, das Abkommen in ein politisches und ein wirtschaftliches Kapitel zu teilen (“Splitting”). Der wirtschaftliche Teil soll dabei möglichst rasch ohne Mitsprache der nationalen Parlamente beschlossen werden können – dafür sollen bereits eine qualifizierte Mehrheit im EU-Rat und eine einfache Mehrheit im EU-Parlament genügen.Dazu schreibt der STANDARD: „Politisch ist das derzeit aber unwahrscheinlich, glauben EU-Insider. Die Kommission würde damit Frankreich vor den Kopf stoßen. Zudem wollen auch die Mercosur-Staaten ein umfassendes Abkommen beschließen.“

 

“Solange es klimaschädliche Produkte fördert wie billiges Fleisch, Futtersoja oder Verbrenner-Fahrzeuge wird das EU-Mercosur Handelsabkommen die Zerstörung des Amazonas und anderer lebenswichtiger Ökosysteme vorantreiben und die Klima- und Naturkrise beschleunigen”, sagt Handelsexpertin Cunha von Greenpeace. “Ohne ein radikales Umdenken und eine umfassende Überarbeitung bleibt das Abkommen ein schlechtes. Wir fordern von der Bundesregierung, diesen alten Giftvertrag im Sinne des Klimas und der Natur grundlegend neu zu verhandeln, statt es einfach auf die Schnelle durchzuwinken.“

 

Unser Tipp:

Falter Podcast. Klimaschutz vs. Freihandel? Disput um Mercosur